Samstag, 3. September 2011

Tafeln - ein nachhaltiges Geschäftsmodell?

Nachdem hier in Bad Reichenhall die Tafel einen gekühlten Mercedes-Bus angeschafft bekommen hat, schrieb ich an die Zeitung: Das eigentliche Ziel der Tafelbewegung müsste die Selbstabschaffung der Tafeln sein. Aber jede Institution schafft sich ihr Klientel. Was relativ improvisiert entstand, wird inzwischen manifestiert in gekühlten Mercedesbussen, mit hoffentlich „voraussichtlich vielen Nutzungsjahren“, so der Bericht – natürlich begleitet von wachsenden Zahlen Bedürftiger. Ohne Tafeln kämen 1 Million Menschen in Deutschland nicht über die Runden, allerdings leben in Deutschland 11,5 Millionen unter der Armutsgrenze, 90% werden über die Tafeln nicht erreicht, immer mehr möchten hin, es gibt lange Wartelisten – wer wegbleibt steht wieder hinten an (also bleibt man dran!). Daneben werden in Deutschland pro Kopf täglich drei Viertel Kilo Lebensmittel weggeschmissen. 20 Millionen Tonnen im Jahr, ein Prozent davon werden über fast 900 „Tafeln“ in Deutschland verteilt. So gesehen offenbart sich eine Kultur der Abspeisung. In Reichenhall arbeiten 50 Personen im Ehrenamt mit. Wie lange werden bei der angedeuteten Dynamik sich noch weiter Menschen finden, die sich so ein Ehrenamt leisten können? Die soziale Frage und die Überproduktion an Lebensmittel braucht andere Lösungen!


Der Vorsitzende der Tafel schrieb dagegen, dass ich doch immerhin zugestehen müsste, dass die Tafeln ein sinnvoller kleiner Lösungsansatz seien?

Dazu: Tafeln verhelfen über einer Million zu Essen. MCKinsey mischt mit, Daimler, Aldi, Lidl usw. – dank der Tafelidee werden ablaufende Lebensmittel verwertet statt verschenkt. Für viele Gutmenschen bieten die Tafeln ein soziales Mäntelchen mit beträchtlichem finanziellem Engagement. Also: „Klein“ passt nicht!

Jobcenter verweisen mittlerweile auf die Tafeln so als wäre dies ein kommunales Angebot und versuchen wegen der Sachleistungen ihre Geldleistungen zu kürzen. Scheinbar wird so der Abstand zwischen Sozialbezug und Erwerbseinkommen vergrößert – mangels Mindestlöhnen folgen weiteren Lohnsenkungen. Sklavenhalter mussten für das Essen der Sklaven aufkommen, heute ist der Essensaufwand nicht im Lohn enthalten, sondern wird von Lidl, Aldi, usw. gestiftet. Sinkendes Lohnniveau ist Armut. Also: Kein „sinnvoller Lösungsansatz“.

Ehrenämter haben früher durch Professionalisierung oft zur Verbesserung unseres Staates beigetragen. Heute zieht er sich dank der Ehrenämter von Aufgaben zurück: Feuerwehren regeln den Verkehr, verarmte Profis machen Unterricht und Pflege. Ehrenamt begünstigt den Weg zur Verarmung. Also: Wann werden Ihre Helfer bei der Tafel mitessen?

Meine Vorschläge zur Armutsbekämpfung:
Keine Minijobs und Mindestlöhne, Hauptursachen heutiger Armut,
Verbesserte individuelle Schulden-, Persönlichkeitsberatung
Hilfe bei der Durchsetzung gegenüber Sozialbehörden,
Unterstützung der Selbstorganisation Armer und Arbeitsloser,
Eröffnung von Tauschen und Regionalwährung/Sterntaler als Schritte zur Eigentätigkeit,
Einsatz für bedingungsloses Grundeinkommen,
Sozialpass in den Kommunuen durchsetzen,
Bekämpfung des Umverteilungstrends nach oben (Steuer-, Sozialpolitik - vgl. aktuell Buffett, Schirrmacher).
(Überproduktion wäre ein eigenes Thema).

Außer in Leserbriefen engagiere ich mich in diesen Themen, bin Beirat bei Hearts4, habe in zwei Jahren z.B. fast 200.000 € Bundesförderung als Gutscheine der Bildungsprämie für die Weiterbildung Erwerbstätiger mit geringem Einkommen ins BGL geholt und verteilt, setze mich mit z.B. l3t.eu für die Verbreitung von kostenlosen Lehrbüchern ein. Als Anregung für Sie: Mein langjähriges ehrenamtliches Engagement im Bereich „Integration/Deutschkurse“ habe ich wegen ähnlicher Strukturmerkmale wie bei den Tafeln konsequenterweise aufgegeben.

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